Die Farben Kölns – Das Gesicht einer Stadt. Architekt Christian Heuchel (O&O Baukunst) entwickelt Städtebau als Dialog.
Köln & München, im Februar 2020 | © von Daniel Khafif
Wir denken heute global, handeln in vernetzten Lieferketten, doch eigentlich zuhause fühlen wir uns nur in unseren eigenen vier Wänden. Niemand lebt nomadisch, global, das wäre auch eine furchtbare Vorstellung. Im Hier und Jetzt zu sein, mit Familie oder Freunden lässt die neue Sehnsucht nach Heimat verstehen.
Köln hat ein zusammengewürfeltes Stadtbild. Ein unsortiertes Knäuel, in dem Relikte aus der Römerzeit neben typischer 50er Jahre Architektur stehen. Es ist diese eigenartige Melange, die Köln so besonders macht. Uns interessiert das Spezifische von Köln. Da wir die Gebäude alle speziell für Köln entworfen haben, können sie somit auch nur in Köln stehen. Eine Stadt färbt immer auch auf ihre Bewohner ab.
Entwurf Parkstadt Süd ©O&O Baukunst, Köln
Jahresringe einer Stadt
Die Parkstadt Süd in Köln ist das derzeit größte innerstädtische Stadtentwicklungsprojekt in Europa. Ein großzügig angelegtes, grünes Naherholungsgebiet im Citybereich. Der alten römischen Ringstruktur folgend legte das Team um Architekt und Initiator Christian Heuchel (BDA), Geschäftsführer des Büros Ortner & Ortner Baukunst in Köln bereits in der Konzeptionsphase die Essenz für den Grüngürtel im Süden der Rheinmetropole frei: Das Gesicht der Stadt Köln. Und ihre schon vor Ankunft der Römer in keltischer Zeit wichtige und ihren Charakter prägende Bedeutung für Handel und Rhein – Schiffahrt.
Vom 13. bis 19. Januar 2020 stand das ortsbezogene Farbkonzept „Die Farben Kölns“ im Mittelpunkt einer besonderen Ausstellung: Im Kölner Off-Space ZERO FOLD stellte Architekt Christian Heuchel das gestalterische Konzept, das an die Kulturgeschichte Kölns angelehnt und zusammen mit der Künstlerin Kirsten Lampert entstanden ist, erstmals einem breiten Publikum vor. Bereits im Oktober 2019 wurde das Farbkonzept für die Parkstadt Süd, das Kirsten Lampert und Christian Heuchel mit dem Kölner Architekturbüro O&O entwickelten, mit dem Label „Best of Best“ im Rahmen der „Iconic Awards 2019” in München ausgezeichnet.
Das Konzept trat hier für die Sektion Innovative Architecture in der Kategorie Concept hervor. Daß Architekt Christian Heuchel den Preis der Jury in München entgegen nahm, setzte ein Signal. Denn generell ist die Konzeption für die Parkstadt Süd und das ortsbezogene Farbkonzept, hier die Farben Kölns, als ganzheitlicher Ansatz für die Stadtplanung, ja, für den Handlungsstrang Stadt von Morgen insgesamt angelegt. “Was für Köln gilt, gilt auch für andere Städte, für ihren Charakter, insbesondere für Die Freilegung und Fortführung ihres Charakters”, erklärt Christian Heuchel. Was ist das Besondere an einer Stadt? Es ist ihre Form, es sind ihre Gerüche, “ja, der Gang der Menschen, an dem man die Stadt erkennt”, so Heuchel in einem Beitrag für das Magazin Architura. Und für Köln sind es eben die Farben Weiß und Rot.
Die Farben Kölns
“Weiß und Rot kennen viele, nicht nur Kölner, als die traditionellen Farben des Fußballclubs der Stadt. Die Farben zieren aber auch Fensterläden, Kölsch-Etiketten und viele Unternehmen der Domstadt. Diese Farbgebung hat ihren Ursprung und war kein Zufall, keine Willkür”, betont Heuchel.
Das Architekturbüro O&O Baukunst, dessen Kölner Dependance Architekt Heuchel als geschäftsführender Gesellschafter findet seine Ursprünge in der legendären Wiener Künstlergruppe Haus Rucker-Co, die schon seit den 1960er Jahren den Kontext urbaner Kultur, ihrer Geschichte und ihr Narrativ, ja, den Dialog mit ihren Bewohnern bearbeitet. Heuchel lebt diese Tradition fort, knüpft an die Dramaturgie einer Stadt an, erzählt “hr Leitmotiv so weiter, dass ein Gebäude, ein Stadtteil, ein Ort die Epoche und die Geschichte zur Zeit seiner Entstehung auch in der Zukunft weiter erzählen kann. “Gebäude, Städte generell sind ja anfassbare Zeitmaschinen”, stellt Heuchel fest. Wir leben heute in einem Gebäude, das vor vielleicht hundert Jahren gebaut wurde. Unsere Mode gleicht der von damals überhaupt nicht. Oder doch? Und was wir heute am Gebäude verändern, ist den Menschen in hundert Jahren in der Zukunft vielleicht gar nicht mehr bewußt. Oder doch? “Gerade in einer Stadt, die ja sehr vom Wandel, von Zuzug, teils von Zerstörung und Wiederaufbau geprägt ist, stehen oft Gebäude verschiedener Epochen dicht nebeneinander”.
Was so selbstverständlich klingt, rückt durch diese Feststellung erst richtig ins Bewusstsein. Politik, Kriege, Niedergang, Erfolg, Stilmittel, mal von Eroberern, mal von Kaufleuten, mal von Industrie geprägt, prägen das Gesicht einer Stadt. Eine Residenzstadt wie Bayreuth ist von Anfang an ganz anders geplant worden, großzügig, stolz, einladend, als eine Industriestadt wie Duisburg, mit vielen Gleisanlagen, Häfen, Lagerhallen. Dafür gibt es Gründe. Historische, politische, kommerzielle. Im Falle Kölns entdeckte Künstlerin Kirsten Lampert die Farben der Domstadt, indem sie tief in ihre Geschichte zurück blickte, ja, ihr Fundament zu Tage förderte und offen legte: “Auf der Suche nach den Farben Kölns war es naheliegend, weit in die lange Geschichte Kölns einzutauchen. An einem Sonntagmorgen recherchierte ich im Römisch-Germanischen Museum, nahe des Doms. Ein Raum dort im Museum beeindruckte mich zutiefst:
Öllampen: Kölscher Exportschlager der Antike
Dort befanden sich zahlreiche Öllampen, Petroleumlämpchen, reihum aufgehängt – und ich war mittendrin”. Inmitten dieser Zeugnissen einer Zivilisation, die diese Öllampen zu Zeiten der Colonia Agrippina aus dem Lehm im Boden brannte, konfektionierte und in alle Teile des Römischen Imperiums exportierte, ging Lampert im wahrsten Sinne “ein Licht auf” Sie stellte hier fest, dass die Römer so unglaublich viele Lampen im Laufe ihrer Siedlungsgeschichte herstellen, daß rund um die Fabrikationsstätten roter Ton, Scherben und Lehm bis tief ins Erdreich zu finden ist. Dieser für Kölns Fundament so typische, rötliche Lehm, auch der helle Sand und weiße Stein, der professionell zum exportierfähigen Design dieser Lampen fertig gebrannt wurde, “das sind für mich die authentischen Farben von Köln”, so Künstlerin Lampert. Spazieren wir vom Römisch-Germanischen Museum zum Dom, blicken in sein Innerstes, auf Filialen, Kapitelsteine und Grabplatten, gehen wieder hinaus und schauen auf den majestätischen, hellen Rhein und sein ockerfarbenes Sediment im Flußbett, erkennen wir nach und nach, daß die Farben Kölns ihren Ursprung aus dem Boden haben, auf denen die Stadt erbaut wurde.
Das Gesicht einer Stadt…
Aus Perspektive der Architektur liegt es also nahe, die gewachsenen Stilmittel in einem Kontext zu verbinden und eine Botschaft auszusenden. “Ein Gebäude kommuniziert”, so Heuchel, “mehr als jede Kinoleinwand, jeder Monitor, jeder Radiosender. Es ist stets sichtbar, von weit weg, jederzeit begehbar, anfassbar, mitteilend.” Der Architekt als Kommunikator? Definitiv. Es gibt kein Gebäude, keine Stadteil und erst recht keine Stadt, die nicht kommuniziert. Definieren wir errichtete Gebäude, in ihrer Multiplikation also Städte, als kommunizierende Gebilde, so lautet die Heuristik der Architektur, daß sie stets eine Botschaft vermittelt, selbst, wenn sie das gar nicht will.
Ergo können wir, wenn wir schon kommunizieren, den Charakter einer Stadt, ihr Gesicht durch unser Tun und Wirken beeinflussen. Und damit ist nicht nur die Architektur, sondern die Stadtplanung allgemein aufgefordert. Denn erst in der Stadtplanung, die auch wirtschaftliche, kulturelle, soziale und strukturelle Faktoren berücksichtigen muss, kann das Gesicht geformt werden. Und wir wissen, nur durch ein bewusstes Lächeln kann die Physiognomie, gerade im Altern, positiv geformt werden. Das gilt auch für die Stadt-Physiognomie. Ist die Suche oder vielmehr die Freilegung des Gesichts einer Stadt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe? Ja. Kann die Architektur hier Antworten oder zumindest Anregungen liefern, wie dieser Aufgabe begegnet wird. “Eindeutig Ja”, meint Architekt Heuchel, der hier verdeutlicht, wie sich Städtebau als Dialog begreift: “WIr können ja nur Antworten liefern, wenn zuvor Fragen gestellt werden. Diese Fragen stellen die Bürger, Bewohner, Nutzer der Stadt. Städtebauer, wir Architekten, finden um so passendere Antworten, desto mehr Menschen sich am Dialog beteiligen. Dann können wir diskutieren. Dann können wir sichten und filtern. Wenn wir uns begegnen. Das ist Dialog.
…und ihr Taktstock
Die römische Colonia Agrippina, ihre natürliche Grenze, der germanischste aller Flüsse, der Rhein. Dann die fränkische Ära in Korrespondenz zwischen sächsischen und merowingischen Fürsten. Der Aufstieg von Erzbistum und Kirche, die Gotik und beginnende Neuzeit. Schließlich der Untergang im letzten Krieg und das Wirtschaftswunder danach. Über allem und ständig mittendrin im Gewühl: Der Karneval. Regelmäßig ab dem 11.11. jedes Jahres der eigentliche Taktstock der Stadt. Das tolle Treiben formt ihre Bewohner erst zu Kölnern, setzt eine Kommunikation in Bewegung, die keine Standesgrenzen kennt.
Der Narr galt seit dem Mittelalter als der irdische Vertraute des Todes: Ähnlich dem Sensenmann kennt der Narr keinen Stand, keiner ist vor seinem Spott und Urteil sicher. So wird der Narr wie auch der Tod als Gleichmacher gefürchtet wie respektiert. Im “Gleichmachen” aber eröffnet sich dem Menschen eine Chance: Er ist befreit von Standesdünkel, Regeln und Kompromissen, er kann handeln, loslegen, umsetzen. Und im Handeln liegt der Erfolg. Liegt die wirtschaftliche Prosperität und Entfaltung. Kurz: Quer durch all diese Epochen zieht sich ein roter Faden, bis heute: Der Handel. Eng verknüpft mit Karneval und Klüngel. Wobei der unterschiedlich konnotierte Begriff “Klüngel” im Handel durchaus positiv besetzt ist. Denn echtes Vertrauen unter Kaufleuten beweist – bis heute – der Handschlag. Und die Empfehlung. Ohne Geklüngel, Gewühle, Gelage geht es nicht. Zumindest nicht besonders gut.
Erzählende Gebäude. Kommunizierende Stadt.
Ihre Lage machte die Stadt Köln seit den ersten Festungsanlagen durch römische Pionierkorps bis zum heute anstehenden Messeneubau zu einer permanent wichtigen Wirtschaftsmetropole. Egal, ob Handkarren, Pferde, Züge, Autos oder Flugzeuge den Menschen und seine Waren transportierten: Der Fluss war schon immer da. Er bindet und verbindet die Stadt mit der Welt, bis in die Alpen und zur Nordsee, von Flandern nach Preußen. Die Ringe der Stadt Köln gleichen den Jahresringen eines alten, mächtigen und gesunden Baumes; sie wachsen langsam, aber stetig. Und kratzt man etwas an der Patina dieser Ringe herum, ja, gräbt etwas in die Tiefe, so erleuchten einen längst erloschene Öllampen römischer Herkunft.
Diese Erkenntnis fordert eine ganzheitliche Inszenierung und die Interaktion der Gewerke im Kontext der Architektur. Die Farben Kölns fordern auf zum Dialog. So trat das Team um Architekt Heuchel mit dem Konzept der Farben Kölns auch in den Dialog mit den Kölnerinnen und Kölnern, zeigte Entwürfe und Farbwände in der Schildergasse zu Köln, in der Fußgängerzone. Diese “lebendige Integration der Bürgerinnen und Bürger einer Stadt mit einem anhaltenden Informationsfluss bezeugt das neue Konzept zur Komposition städteplanerischer Entwicklung”, erklärt Heuchel. Innerhalb des Konzepts für die Farben Kölns wurden so beispielsweise Ausstellungen und Kunst-Events in der Öffentlichkeit durchgeführt. Nicht gezeigt, wie ein neues Produkt, nein, “wir luden die Menschen ein, an unseren Ideen teilzuhaben, sie sichtbar zu machen und ausdrücklich auf Impulse der Menschen einzugehen und ihre und Anregungen in das Konzept aufzunehmen. Die Farben Kölns bedeuten ein Mittel zur Kommunikation.”, führt Heuchel aus. Die Stadt selber kommuniziert. Der Architekt stellt nur den Sendemast her, mit dem die Kommunikation zwischen Sender und Empfänger, zwischen Stadt und Mensch, Konzept und Aufgabe, Geschichte und Zukunft übertragen wird.
Die Parkstadt Süd
Das Konzept der Farben und der kommunizierenden Stadt findet in der Kölner Parkstadt Süd ihren gegenwärtig deutlichsten Ausdruck. Wie kam es zur Idee und zur Ausgestaltung des Konzepts für die Parkstadt Süd? “Jenseits allgemein gültigen Trends bauen wir ein großes Viertel im Herzen von Köln, die Parkstadt Süd auf dem alten Großmarktgelände”, erklärt Architekt Heuchel. “Veedelshandbuch und der Veedelsbaumeister sind unsere Instrumente.
Erprobte Konzepte seit Jahrhunderten Teil des Alphabets der Architektur werden neu aufgelegt. Sind das nicht immer die Mechanismen der Stadt gewesen. Die jeder Stadt eigen sind und auch gelöst wurden. Schauen wir uns doch nur die italienischen Städte an.” Es ist das Verbinden von Geschichten und Geschichte, das Heuchels Arbeit auszeichnet. Zu einer Geschichte gehören nicht nur Happy Ends und Sehnsüchte, sondern auch unschöne Dinge, harte Wahrheiten, Verborgenes.
Die Aufgabe besteht darin, eine Komposition zu finden, die dem Wandel der Zeit, den Anforderungen städteplanerischer Aufgaben, aber auch dem Anspruch eines städtischen Charakters gerecht wird. So wie eine Sinfonie, die nicht trotz, sondern wegen ihrer Wechsel von Tempo, Soli oder Dramatik stets ihre Grundmelodie behält. Für Köln heißt dies in der Interpretation Heuchels:
“Wir kümmern uns nicht um die Baulücke, mit dem gerne junge Architekten als „Übung“ belohnt werden. Sondern wir bauen unsere Stadt. Wir zeichnen große Blöcke und wünschen uns das Innen und Außen. Wir lieben Plätze, Boulevards und Gassen. Natürlich ohne Autos. Wir träumen vom Wohnblock als „Der kölschen Familie“. Darin wohnen alle unsere Freunde (auch getrennt voneinander). Wir tauchen die Häuser in Farben. Wie wir sie in Indien, in Paris oder in Rom gesehen und in Köln vorgefunden haben. Wir gestalten die Laternen, weil wir unter dem modernistischen “Alltagskrempel”, der uns umgibt, ersticken – und weil wir wissen wollen wo wir wohnen.
Jedes Haus hat einen schönen Eingang nebst Namen. Die Besucher, unsere Kinder und auch wir werden uns im Alter daran erinnern. Die Parkstadt Süd wird der neue Resonanzkörper für weitere Lieder. Wir schreiben ein Lied für unser neues Veedel und besingen es.”
Ansprüche an eine nachhaltige Stadt
Nun wäre Stadtplanung nicht Stadtplanung, wenn es nicht auch Gegenstimmen oder Zweifel gäbe. Gefragt, welche Hindernisse auf dem Weg zur Umsetzung zu bewältigen sind, antwortet Christian Heuchel:
“Heute findet eine architektonische Verwahrlosung statt. Es gibt Häuser mit dem Namen „Barrierefreiheit“ „Anne und Ludwig“, „Rheinblick“, „Heine Gärten“ bald auch „Dick und Doof“ oder „Ernie und Bert“? Ungeschickter kann der Anspruch an unser Heimatgefühl und das Bild von Architektur nicht mehr umgesetzt werden. Was hier meist hochpreisig, durch eine Werbeagentur angeboten wird, erfüllt in keinster Weise den Anspruch, den heute an eine nachhaltige Stadt gestellt wird.”
Auch wenn der Blick in diesem Kontext auf Köln gerichtet ist, wird schnell klar, daß wir es mit einem gesamtdeutschen städtebaulichen Thema zu tun haben, das auch in anderen europäischen Ländern die gleichen Parallelen aufweist: In den nächsten 10 Jahren werden 1 Millionen neue Wohnungen in Deutschland gebaut. Der Wohnungsbedarf in Köln entspricht zweimal der Fläche der Domstadt.
Enorme Bautätigkeit jetzt und in Zukunft
Dazu resümiert Architekt Heuchel: “Wir stehen vor einer enormen Bautätigkeit. Gestalterischen Rückenwind erhalten die Stadtentwickler ausgerechnet durch die politisch und gesellschaftlich entleerte Moderne „Die ganze Welt ein Bauhaus“. Ein Aufruf, der die Baukunst in funktionale Architektur zerlegt und nur autistische Stadträume schafft. Ein vergnügter Kubismus durchzieht das Land. Die Vertreter der internationalen Moderne filetieren das gewachsene Ganze, zerlegen es in beherrschbare Einzelteile. Eine Gedankenwelt, die nur Schwarz oder Weiß kennt. Alltägliche Begriffe wie Verschmelzung, Undeutlichkeit und Unsauberkeit sind fremd geworden.” Was heißt das konkret? Wie drückt sich dieser hier beschriebene Duktus auf die Menschen, die Einwohner einer Stadt aus?
Dazu Christian Heuchel:
“Unter den Tisch fallen derzeit der Stadtkörper und seine Häuser. Häuser sind immer Repräsentant des Habitus der Bewohner. Das Haus des Flurwärters, das Haus des Hufschmiedes und der Bäckers, das Haus der Diva, der Palazzo Nobile. Wir kennen die Fassaden und haben sie Jahrtausende lang verfeinert. Der Habitus der Menschheit als liebevoller Knäuel braucht Städte mit Charakter, Sie sind der Inbegriff der Zivilisation. Städte die man lieben kann, Sehnsuchtsorte und Städte als Leinwand der eigenen Wünsche. Schaut man sich die Bauschichten Jerusalems an. Verzweifelt man an dem was hier ausgegraben, vergraben und wieder ausgegraben wird. Aus diesem Habitus wurden Siedlungen und Stadt bauen. Die Hufeisensiedlung, die Weißenhofsiedlung, Onkel Toms Hütte, das rote Wien. Da war eine Gesellschaft mit ihren Städtebauern. gemeinsam unterwegs. Große Namen mit Visionen für ein zukünftiges Zusammenleben stehen Pate: Von Vitruv über Camillo Sitte. Von Christopher Alexander bis hin zu Fritz Schuhmacher.
“Häuser sind immer Repräsentant des Habitus der Bewohner” – (Christian Heuchel)
Die Essenz einer Stadt
Was fordern diese Betrachtungen über einen bewussteren, ganzheitlichen Städtebau? Wie gehen wir die Stadt von morgen, mit all ihren Ansprüchen, den Aufgaben und Problemen, die künftig zu bewältigen sind, so um, daß die Menschen sie miteinander, statt isoliert oder gar gegeneinander gestalten? Architekt Christian Heuchel findet zur Beantwortung treffende Metaphern:
“Was ziehe ich heute an. Kämm dir die Haare, wenn du rausgehst! Wenn der Platz, die Straße, die Stadt eines fordert, dann ist es, unseren Habitus anzupassen. Den Pariser, den Londoner und den Römer erkennt man am Gang, an der Kleidung, am Haarschnitt. Mancher behauptet gar, man erkenne den Kölner am Geruch. Der Maler Lucian Fontana lief durch sein Rom, um sich religiös aufzuladen – für den nächsten seiner Schnitte auf Leinwand.
Was wäre Jack the Ripper ohne Regen, Nebel und Pflastersteine? Die Porträts August Sanders von Kölner Bürgern, Zilles Zeichnungen der Berliner Hinterhöfe ohne die gebauten Milieus? Die Stadt färbt ab. Über Material, Architektur und Raum. Über den Vorplatz vor den großen Kirchen, den roten Teppich vor den Opernhäusern, die großen Plätze. Als Hintergrund prägt sie die Menschen, gibt unmerkliche Regieanweisungen: Blick nach rechts, Blick nach links, geh
schneller, setz dich, verhalte dich ruhig, jetzt Applaus! Man zeigt sich, flaniert, läuft oder hängt einfach nur ab. Aber bitte im zeitgemäßen Outfit!
Es wäre schön, diese Essenz in einem Flakon einzufangen. Ein Substrat zu destillieren, um sich unerkannt einzuschmiegen in die Stadt.“
©Text: Daniel Ulf Khafif, München, 17.Februar 2020 (unter Verwendung von Material und Vorlagen von O&O Baukunst und Christian Heuchel)
Mehr: https://www.christianheuchel.de/2019/04/01/die-farben-koelns/
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